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Unbestimmte vs. bestimmte Eigenschaften vor/nach Messung - Seite 2
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TomS
Moderator


Anmeldungsdatum: 20.03.2009
Beiträge: 18740

Beitrag TomS Verfasst am: 18. Jun 2024 09:16    Titel: Antworten mit Zitat

Der Körper als gebundenes System bleibt stabil aufgrund der Bindungseffekte. Auch einzelne nicht-gebundene Subsysteme werden aufgrund der Dekohärenz fortwährend lokalisiert.

Das ist der Punkt, den ich oben unter 1. angesprochenen hatte, und den man als gelöst ansehen darf.

Das Problem war 2., dass im Falle von mikroskopischen Superpositionen diese Lokalisierung zwar fortwährend stattfindet, jedoch nicht eindeutig. Gemäß Dekohärenz und "viele-Welten-Interpretation" resultieren im obigen Beispiel mehrere jeweils lokalisierte, für sich betrachtet klassisch erscheinende Kugeln, die "wechselseitig füreinander unsichtbar sind". Das steht nicht im Widerspruch zur Beobachtung, jedoch im Widerspruch zu unserer Meinung, dass es so etwas nicht geben darf.

Zur "viele-Welten-Interpretation" gibt es diverse Kritikpunkte, aber dass sie zu unserer Meinung im Widerspruch steht, ist sicher kein valider Einwand. Die Thermal Interpretation erklärt nun, dass das, was angeblich mathematisch ableitbar ist – die vielen jeweils einzeln betrachtet klassischen Kugeln – nur aus der unzulässigen Anwendung eines zu simplen mathematischen Modells stammt, und dass man bei einem vernünftigen mathematischen Modell auch nur eine Kugel erhält.

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Niels Bohr brainwashed a whole generation of theorists into thinking that the job (interpreting quantum theory) was done 50 years ago.
Maddin01
Gast





Beitrag Maddin01 Verfasst am: 18. Jun 2024 18:10    Titel: Antworten mit Zitat

Zu 1.: ich dachte eigentlich, dass theoretisch auch eine Atombindung delokalisiert sein kann? Aber das ist nur noch alles altes Halbwissen aus der Schulzeit bei mir, ich lasse mich gerne eines besseren belehren!

Zu 2.: wenn sich die Thermal Interpretation durchsetzen könnte bzw diese anerkannt werden würden, wäre das schon eine Sensation. Mich würde es freuen, denn die Shut Up Variante finde ich ebenso wie die Viele Welten unbefriedigend.
TomS
Moderator


Anmeldungsdatum: 20.03.2009
Beiträge: 18740

Beitrag TomS Verfasst am: 18. Jun 2024 18:35    Titel: Antworten mit Zitat

Maddin01 hat Folgendes geschrieben:
Zu 1.: ich dachte eigentlich, dass theoretisch auch eine Atombindung delokalisiert sein kann? Aber das ist nur noch alles altes Halbwissen aus der Schulzeit bei mir, ich lasse mich gerne eines besseren belehren!

Siehe oben für ein Wasserstoffatom:



Speziell für den Fall exakt scharf definierter Energie ist der Schwerpunkt R eines einzelnen isolierten Atoms völlig delokalisiert.

Konstruiert man lokalisierte Wellenpakete (die nun bzgl. der Energie nicht mehr exakt scharf sind)



so kann man zeigen, dass diese mit der Zeit "zerfließen", d.h. dass f zeitabhängig sein muss und mit der Zeit breiter wird; ein zunächst sehr gut lokalisiertes Atom bleibt demnach nicht gut lokalisiert.

Proton und Elektron sind und bleiben gemäß psi relativ zueinander lokalisiert. Allerdings fällt psi exponentiell ab, wird also nirgendwo exakt Null.

Für einfache Modelle kann man zeigen, dass unter Berücksichtigung der Dekohärenz kein "Zerfließen" stattfindet.

Ich weiß nicht, ob derartige Berechnungen auch für komplizierte Moleküle durchführbar sind.


Maddin01 hat Folgendes geschrieben:
Zu 2.: wenn sich die Thermal Interpretation durchsetzen könnte bzw diese anerkannt werden würden, wäre das schon eine Sensation. Mich würde es freuen, denn die Shut Up Variante finde ich ebenso wie die Viele Welten unbefriedigend.

👍

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Maddin01
Gast





Beitrag Maddin01 Verfasst am: 18. Jun 2024 22:23    Titel: Antworten mit Zitat

Okay, dann gehe ich mal davon aus, dass bei allem makroskopischen keine Delokalisation mehr vorkommt 👍🏻 Analog dazu ergibt sich dann zb auch ein Drehimpuls eine makroskopischen Körpers, den ich auch nach der Messung zuordnen darf?
TomS
Moderator


Anmeldungsdatum: 20.03.2009
Beiträge: 18740

Beitrag TomS Verfasst am: 19. Jun 2024 08:34    Titel: Antworten mit Zitat

Maddin01 hat Folgendes geschrieben:
Okay, dann gehe ich mal davon aus, dass bei allem makroskopischen keine Delokalisation mehr vorkommt 👍🏻

Unter den oben gennannten Annahmen.

Maddin01 hat Folgendes geschrieben:
Analog dazu ergibt sich dann zb auch ein Drehimpuls eine makroskopischen Körpers, den ich auch nach der Messung zuordnen darf?

Auch das sehe ich sehr ähnlich.

Es handelt sich um komplexe Vielteilchensysteme, für die man geeignete Lösungen finden muss. Es gibt zig andere Beispiele, für die wir ebenfalls keine Lösung kennen, jedoch davon überzeugt sind, diese im Rahmen der Quantenmechnaik (oder Quantenfeldtheorie) finden zu können.
Maddin01
Gast





Beitrag Maddin01 Verfasst am: 19. Jun 2024 12:16    Titel: Antworten mit Zitat

Super. Dann war wohl die Auffassung, dass die klassische Physik als zum Teil illusorisch neben der Quantenmechanik erscheint, völlig fehl.
Maddin01
Gast





Beitrag Maddin01 Verfasst am: 20. Jun 2024 07:51    Titel: Antworten mit Zitat

Achse, nochmal dazu, warum ich hier den Eindruck bekam, die klassische Physik sei eine halbe Illusion (da ja nach einem Zitat gefragt wurde): habe hier zb ein Thema gefunden, in dem behauptet wird, man könnte einen Stein durch eine Wand durchtunneln.
Dies würde der klassischen Physik komplett widersprechen...
Maddin01
Gast





Beitrag Maddin01 Verfasst am: 20. Jun 2024 08:23    Titel: Antworten mit Zitat

physikerboard.de/topic,63926,-quantenphysikeffekte.html

Oder zb hier, dort hatte jemand ähnliche Gedanken wie ich.
TomS
Moderator


Anmeldungsdatum: 20.03.2009
Beiträge: 18740

Beitrag TomS Verfasst am: 20. Jun 2024 19:50    Titel: Antworten mit Zitat

Wir hatten dazu kürzlich eine recht kontrovers Diskussion im Kontext des Falsifikationsprinzips nach Popper. Im folgenden eine hoffentlich ausgewogene Zusammenfassung.

Im Rahmen der Quantenmechanik sind für einfache Systeme, Tunnelwahrscheinlichkeiten ungleich null berechenbar sowie indirekt messbar (für den direkten Nachweis muss ich recherchieren). Ein prominentes Beispiel kennt man im Zusammenhang mit der Fusion von Atomkernen.

Überträgt man diese einfachen Modelle in trivialer Weise auf makroskopischen Skalen, so erhält man ebenfalls Tunnelwahrscheinlichkeiten ungleich null. Dies ist jedoch problematisch: die einfache Übertragung betrachtet kein gebundenes System bestehend aus mikroskopischen quantenmechanischen Freiheitsgraden, man setzt vielmehr die Masse des tunnelnden Teilchens auf einen makroskopischen Wert. Daraus resultiert – zurecht – der Einwand, dieser Ansatz sei völlig unrealistisch, das Ergebnis sinnlos.

Stattgegeben.

Der Einwand ist jedoch, dass es überhaupt nicht darum ging, zu beweisen, dass derartige Prozesse gemäß der Quantenmechanik stattfinden können, sondern zu diskutieren, inwieweit das Falsifikationsprinzip hier greift. Es greift aus praktischen Überlegungen nicht!

Dazu müsste man erstens ein realistisches Modell formulieren – ich wüsste nicht, dass ein solches bekannt ist – man müsste es zweitens lösen, und aus dieser Lösung müsste sich drittens für die Tunnelwahrscheinlichkeit ein Wert von exakt null ergeben. Solange nun all dies nicht gegeben ist, ist auch die gegenteilige Hypothese, derartige Prozesse wären gemäß der Quantenmechanik unmöglich, nicht falsifizierbar.

Darüber hinaus ist zumindest die erste Hypothese rein praktisch nicht überprüfbar, da die Tunnelwahrscheinlichkeit so extrem klein ist, dass auch viele Experimente auf allen bewohnbaren Planeten des sichtbaren Universums über viele Alter des Universums nicht ausreichen, um eine zumindest statistisch verlässliche Aussage zu gewinnen.

Man kann nun beide Hypothesen aufgrund anderweitiger Überlegungen propagieren oder kritisieren, das ändert jedoch nichts daran, dass sie sich einer experimentellen Überprüfung aus praktischen Gründen entziehen, d.h. die eine Hypothese ist genauso wenig überprüfbar wie die andere. Darauf wollte ich hinaus.

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Maddin01
Gast





Beitrag Maddin01 Verfasst am: 20. Jun 2024 23:50    Titel: Antworten mit Zitat

Wow, interessante Diskussionen, die hier geführt wurden, insbesondere die mit Prof. Neumaier!

Nachdem ich mir deinen letzten Beitrag, also die Zusammenfassung durchgelesen habe, denke ich immer mehr, dass die Quantenmechanik eigentlich nicht die klassische Physik innerhalb von ihrem Gültigkeitsbereich beschneiden tut.

Was ich hierzu noch fragen will: in dem letzten Link (hier aus dem Forum), den ich heute morgen gepostet habe, findet man folgende Aussagen:

Zitat:
Zitat:

Kann es nicht sein, das die makroskopisch erschafffenen Dinge plötzlich auseinander fallen?

Das ist eine Folgerung aus der Quantenmechanik. Aber wie gesagt: Die Wahrscheinlichkeit ist gering.


Lässt die Quantenmechanik es wirklich zu, dass makroskopische Körper einfach so zerfallen können? Falls ja, welche Prozesse soll dies ermöglichen?

Das keine Delokalisierung effektiv im makroskopischen mehr Auftritt, hatten wir ja schon...
Jojo123
Gast





Beitrag Jojo123 Verfasst am: 03. Jul 2024 21:16    Titel: Antworten mit Zitat

Guten Abend,

ich habe hier nach längerem mal wieder gelesen und dieses Thema hier entdeckt. Vor einiger Zeit habe ich mal eine ähnliche Frage hier gestellt (physikerboard.de/htopic,67069,delokalisiert.html).
In dem damaligen Thema hieß es, dass theoretisch auch makroskopische Körper von einem auf den anderen Moment vollständig verschwinden können. Auch wenn es höchst unwahrscheinlich ist.

Nun habe ich nach dem Lesen dieses Themas hier den Eindruck, dass sich diese Situation nicht ergeben kann, da durch Dekohärenz und andere Effekte solch eine Delokalisation nicht mehr auftreten kann. Oder habe ich etwas falsch verstanden?

Wie verhält sich das zudem mit den Eigenzuständen? So wie ich das hier verstanden habe, bleiben Objekte, die lokalisiert wurden, eindeutig lokalisiert.
Richtig?
Jakito



Anmeldungsdatum: 30.05.2024
Beiträge: 66

Beitrag Jakito Verfasst am: 04. Jul 2024 15:40    Titel: Antworten mit Zitat

Jojo123 hat Folgendes geschrieben:
In dem damaligen Thema hieß es, dass theoretisch auch makroskopische Körper von einem auf den anderen Moment vollständig verschwinden können. Auch wenn es höchst unwahrscheinlich ist.
kered rettop (Derek Potter) hat Anfang diese Jahres Widerspruch provoziert, als er einen großen Unterschied zwischen "höchst unwahrscheinlich" und "unmöglich" machen wollte:
gentzen hat Folgendes geschrieben:
If an amplitude of 10^-1000 leads to totally different conclusions than an amplitude which is exactly zero, then the corresponding interpretation has robustness issues.

Die direkte Widerrede beantwortete er mit einer Unterscheidung zwischen "slightly flaky experimental data" und "predicted frequencies in an idealised model":
https://www.physicsforums.com/threads/multiverse-theory-why-dont-strange-things-happen-here-sometimes.1054972/post-6988085
kered rettop hat Folgendes geschrieben:
The point being, of course, that MWI worlds often have unimaginably small amplitudes, and if there were a threshold, MWI would be easily testable - as the universe (or our rational response to it) would change dramatically when the threshold was reached.
https://www.physicsforums.com/threads/multiverse-theory-why-dont-strange-things-happen-here-sometimes.1054972/post-6988378
gentzen hat Folgendes geschrieben:
I guess you try to apply the threshold too naively, namely by setting the amplitudes smaller than the threshold to 0. But that would still have robustness issues, as you point out. What one does in practice (of robust statistics) is rather the opposite, namely to treat all values smaller than the "bound" in the same way as the value of the bound itself. A typical example for this strategy is https://en.wikipedia.org/wiki/Huber_loss
In this way, everything stays continuous, and your "if there were a threshold, MWI would be easily testable" objction is avoided.
kered rettop hat Folgendes geschrieben:
But anyway, you seem to be talking about statistical techniques that "add robustness" to slightly flaky experimental data. Experimental data may contain outliers which have nothing to do with the thing you're trying to quantify: experimental errors, equipment malfunction, unhandled noise and so on. Not to mention plugs falling out. But in this case we're considering predicted frequencies in an idealised model so those things do not apply.

Überzeugender war anscheinend die indirekte Gegenrede, die konkrete Beispiele von Interpretationen und Vorhersagen anführte, die tatsächlich unfreiwillig einen großen Unterschied zwischen "höchst unwahrscheinlich" und "unmöglich" machen:
kered rettop hat Folgendes geschrieben:
It's hard to see why small numbers should entail robustness issues. Unless you refer it to some other state, an amplitude in QM is meaningless.
https://www.physicsforums.com/threads/yakir-aharonovs-time-symmetric-formulation-of-quantum-mechanics.1059038/post-6988373
gentzen hat Folgendes geschrieben:
Even so the bound for the number of histories with non-zero probability is interesting, it suffers from the fact that even negligibly small eigenvalues of and contribute to the left-hand-side, and histories with negligibly small probability contribute to the right-hand-side. More robust and useful would be a bound on the entropy of the probabilities of possible sets of histories.


Jojo123 hat Folgendes geschrieben:
Nun habe ich nach dem Lesen dieses Themas hier den Eindruck, dass sich diese Situation nicht ergeben kann, da durch Dekohärenz und andere Effekte solch eine Delokalisation nicht mehr auftreten kann. Oder habe ich etwas falsch verstanden?
Nun ja, auch bei der von kered rettop provozierten Diskussion gab es den Widerspruch, dass er gar nicht bewiesen habe, dass es tatsächlich eine von Null verschiedene Wahrscheinlichkeit für das "unmögliche" makroskopische Verhalten gibt. Aber hier wie dort hat die Gegenseite ebenfalls nicht bewiesen, dass die Wahrscheinlichkeit tatsächlich exakt Null ist.

Mir erscheint es erfolgsversprechender, die Frage zu beantworten, was der Vergleichsmaßstab ist, um eine Wahrscheinlichkeit als zu klein betrachten zu dürfen, damit es keinen relevanten Unterschied zu "unmöglich" mehr gibt. Die erfolgreichere Gegenrede oben hat implizit vorgeschlagen, diesen Vergleichmaßstab aus der Entropie abzuleiten.

Jojo123 hat Folgendes geschrieben:
Wie verhält sich das zudem mit den Eigenzuständen? So wie ich das hier verstanden habe, bleiben Objekte, die lokalisiert wurden, eindeutig lokalisiert.
Richtig?
Selbst falls dies irgendwer behauptet haben sollte, bleibt diese Aussage natürlich falsch.
Jojo123
Gast





Beitrag Jojo123 Verfasst am: 04. Jul 2024 17:25    Titel: Antworten mit Zitat

Also im Grunde ist das ja eine ähnliche These, wie sie hier neulich Prof. Neumeier zum Thema makroskopisches Tunneln angeführt hat. Wie auch weiter oben beschrieben.

Warum übrigens die Mwi durch solch ein Ereignis, was makroskopisch eigentlich nicht vorkommen sollte und dann doch vorkommen würde, testbar wird, ist mir ein Rätsel. Ich halte die verschiedenen Interpretation für prinzipiell nicht testbar, somit bleibt es Philosophie.
Jakito



Anmeldungsdatum: 30.05.2024
Beiträge: 66

Beitrag Jakito Verfasst am: 04. Jul 2024 18:31    Titel: Antworten mit Zitat

Jojo123 hat Folgendes geschrieben:
Also im Grunde ist das ja eine ähnliche These, wie sie hier neulich Prof. Neumeier zum Thema makroskopisches Tunneln angeführt hat. Wie auch weiter oben beschrieben.
Du meinst vermutlich den folgenden Beitrag:
TomS hat Folgendes geschrieben:
Konstruiert man lokalisierte Wellenpakete (die nun bzgl. der Energie nicht mehr exakt scharf sind)



so kann man zeigen, dass diese mit der Zeit "zerfließen", d.h. dass f zeitabhängig sein muss und mit der Zeit breiter wird; ein zunächst sehr gut lokalisiertes Atom bleibt demnach nicht gut lokalisiert.

Proton und Elektron sind und bleiben gemäß psi relativ zueinander lokalisiert. Allerdings fällt psi exponentiell ab, wird also nirgendwo exakt Null.

Für einfache Modelle kann man zeigen, dass unter Berücksichtigung der Dekohärenz kein "Zerfließen" stattfindet.

Dieses "kein Zerfließen stattfindet" ist wohl vor allem im Sinne des Quanten-Zeno-Effekts zu verstehen: Wenn eine bestimmte Quanteneigenschaft permanent gemessen wird, dann kann sie sich kaum ändern, und wird dadurch quasi eingefroren. Mit Hilfe der Dekohärenz wird also ein Messprozess modeliert. Wenn man dabei in einem einfachen Model eine permanente Messung beschreibt (also eine laufend wiederholte Messung, kontinuierlich oder nach winzigen Zeitintervallen), dann zerfließt halt nichts mehr.

Was daraus im allgemeinen aber nicht folgt ist: "bleiben Objekte, die lokalisiert wurden, eindeutig lokalisiert"

Jojo123 hat Folgendes geschrieben:
Warum übrigens die Mwi durch solch ein Ereignis, was makroskopisch eigentlich nicht vorkommen sollte und dann doch vorkommen würde, testbar wird, ist mir ein Rätsel. Ich halte die verschiedenen Interpretation für prinzipiell nicht testbar, somit bleibt es Philosophie.
Es ging dabei um das Argument mit dem "Schwellwert": Wenn es einen "Schwellwert" gäbe, ab dem die Physik anders ist, dann wäre dieser "Schwellwert" experimentell messbar. Der Punkt war aber, dass dies für Wahrscheinlichkeiten nicht gilt, wenn man es richtig/geschickt macht: Statt die Vorhersage ab einem Schwellwert "rauschfrei" zu machen, gibt man stattdessen allen Messungen "ein Grundrauschen" mit.
Jojo123
Gast





Beitrag Jojo123 Verfasst am: 04. Jul 2024 20:30    Titel: Antworten mit Zitat

Ich meinte eigentlich folgenden Beitrag:
Zitat:

Im Rahmen der Quantenmechanik sind für einfache Systeme, Tunnelwahrscheinlichkeiten ungleich null berechenbar sowie indirekt messbar (für den direkten Nachweis muss ich recherchieren). Ein prominentes Beispiel kennt man im Zusammenhang mit der Fusion von Atomkernen.

Überträgt man diese einfachen Modelle in trivialer Weise auf makroskopischen Skalen, so erhält man ebenfalls Tunnelwahrscheinlichkeiten ungleich null. Dies ist jedoch problematisch: die einfache Übertragung betrachtet kein gebundenes System bestehend aus mikroskopischen quantenmechanischen Freiheitsgraden, man setzt vielmehr die Masse des tunnelnden Teilchens auf einen makroskopischen Wert. Daraus resultiert – zurecht – der Einwand, dieser Ansatz sei völlig unrealistisch, das Ergebnis sinnlos.

Stattgegeben.

Der Einwand ist jedoch, dass es überhaupt nicht darum ging, zu beweisen, dass derartige Prozesse gemäß der Quantenmechanik stattfinden können, sondern zu diskutieren, inwieweit das Falsifikationsprinzip hier greift. Es greift aus praktischen Überlegungen nicht!

Dazu müsste man erstens ein realistisches Modell formulieren – ich wüsste nicht, dass ein solches bekannt ist – man müsste es zweitens lösen, und aus dieser Lösung müsste sich drittens für die Tunnelwahrscheinlichkeit ein Wert von exakt null ergeben. Solange nun all dies nicht gegeben ist, ist auch die gegenteilige Hypothese, derartige Prozesse wären gemäß der Quantenmechanik unmöglich, nicht falsifizierbar.

Darüber hinaus ist zumindest die erste Hypothese rein praktisch nicht überprüfbar, da die Tunnelwahrscheinlichkeit so extrem klein ist, dass auch viele Experimente auf allen bewohnbaren Planeten des sichtbaren Universums über viele Alter des Universums nicht ausreichen, um eine zumindest statistisch verlässliche Aussage zu gewinnen.



Zitat:
Es ging dabei um das Argument mit dem "Schwellwert": Wenn es einen "Schwellwert" gäbe, ab dem die Physik anders ist, dann wäre dieser "Schwellwert" experimentell messbar. Der Punkt war aber, dass dies für Wahrscheinlichkeiten nicht gilt, wenn man es richtig/geschickt macht: Statt die Vorhersage ab einem Schwellwert "rauschfrei" zu machen, gibt man stattdessen allen Messungen "ein Grundrauschen" mit.


Okay, alles klar. Aber selbst dann könnte ich nicht die MWI testen, da wir immer nur eine Welt beobachten können.

Zitat:
Was daraus im allgemeinen aber nicht folgt ist: "bleiben Objekte, die lokalisiert wurden, eindeutig lokalisiert"


Was ich mich nur frage: wie könnte dann zb ein Objekt von jetzt auf gleich delokalisiert sein? Werden dann zb einfach alle Atombindungen meines Bleistifts, der hier vor mir liegt, schlagartig aufgebrochen und die Materie ist sonst wo verteilt?
Würde das nicht auch der Chemie widersprechen?
Jakito



Anmeldungsdatum: 30.05.2024
Beiträge: 66

Beitrag Jakito Verfasst am: 05. Jul 2024 01:57    Titel: Antworten mit Zitat

Jojo123 hat Folgendes geschrieben:
Was ich mich nur frage: wie könnte dann zb ein Objekt von jetzt auf gleich delokalisiert sein?
Was heißt schon "von jetzt auf gleich"? Eine gewisse Zeit kann die Delokalisierung schon brauchen.
Zitat:
Werden dann zb einfach alle Atombindungen meines Bleistifts, der hier vor mir liegt, schlagartig aufgebrochen und die Materie ist sonst wo verteilt?
Nein, denn das würde ja Energie benötigen. Und die Entropie würde sich wohl auch ein wenig zu schlagartig ändern.
Zitat:
Würde das nicht auch der Chemie widersprechen?
Gute Frage.

Vielleicht ist es hilfreich, sich zunächst mal ein von außen in einen Festkörper reingeschossenes Elektron anzuschauen, wie und warum es sich delokalisiert, wenn es thermalisiert:
https://www.physikerboard.de/ptopic,398828.html#398828
Jakito hat Folgendes geschrieben:
Und weil die elektrische Ladung sowohl erhalten bleibt, quantisiert ist, und zwar aus mikroskopischer Sicht ordentlich grob, bekommt man sogar eher das gegenteilige Problem: wie schaffen es Elektronen, beim Thermalisieren ihren Punktteilchen Charakter zu verlieren, ohne dabei die Quantisierung der Ladung zu verletzen?

Eine "intuitive" Erklärung ist, dass die Quantisierung des elektromagnetischen Feldes dazu führt, dass die "Punktposition" der Ladung unscharf wird, weil gar nicht mehr genug Energie vorhanden ist, als dass die exakte Punktposition Auswirkungen auf irgendwelche Interaktionen haben könnte.

Wieso sollten die Atome in einem Molekül oder Festkörper nicht ein ähnliches Schicksal erleiden? Gute Frage. Aber wenn man z.B. Helium Atome stark genug abkühlt, dann delokalisieren die auch, und es kommt zu Superfluidität. Aber ab einer "Schwellwert"-Temperatur ändert sich dass, und dann scheint zumindest die "Annahme" der Lokalisation in keinerlei Widerspruch mehr zu den Beobachtungen zu stehen. Aber wieso? Ich weiß es nicht.
Jojo123
Gast





Beitrag Jojo123 Verfasst am: 05. Jul 2024 17:48    Titel: Antworten mit Zitat

Okay, also erstmal danke für deine Hilfe!

Also eigentlich sagt mir das, dass ein makroskopischer Körper doch nicht einfach verschwinden kann, weil sich gerade alle Atome auf einmal irgendwo befinden (wie gesagt, dies würde ja auch der Chemie widersprechen, dass sich plötzlich einfach so alle Bindungen auflösen).

Dies war das Zitat aus dem Forum, was mich zum Nachdenken brachte:
Zitat:
Jojo123 hat Folgendes geschrieben:
könnte es dann rein theoretisch sein, dass ich zb. meine Kaffeetasse erst am Küchentisch beobachte und sie aber bei der nächsten Beobachtung dort nicht mehr steht?


Im Prinzip schon, aber es ist beliebig unwahrscheinlich. Ähnliche Phänomene gibt es auch in der Thermodynamik. Es ist z.B. möglich, dass Du erstickst, weil sich alle Sauerstoffmoleküle zufällig in der anderen Hälfte Deines Zimmers versammeln. Das ist aber so extrem unwahrscheinlich, dass es praktisch nie passieren wird. Die spontane Teleportation Deiner Kaffeetasse ist noch wesentich unwahrscheinlicher. Nicht einmal einzelene Atome sind (gemessen an ihrer Größe) nennenswert delokalisiert.
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